Wie die 27 EU-Mitgliedstaaten muss auch die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden. Neben der CO2-Reduktion braucht es nach Expertenmeinung dazu zusätzlich Technologien, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen und dauerhaft speichern. Das Cleantech Start-up Storra will dazu beitragen, die Sicherheit der CO2-Speicherung mittels eines digitalen Zwillings kostengünstig zu steigern.
Storra entwickelt eine digitale Zwillingsplattform, die geologische und wirtschaftliche Risiken für CO2-Speicherbetreiber quantifiziert, überwacht und kommuniziert. Derzeit haben Betreiber Schwierigkeiten, Speicherrisiken genau zu bewerten und wichtigen Stakeholdern wie Regulierungsbehörden, Versicherern, Investoren, Emittenten und Infrastrukturpartnern zu vermitteln. Diese Unklarheiten führen zu regulatorischen Verzögerungen, überhöhten Versicherungsprämien und Schwierigkeiten bei der Sicherung von Investitionen und Projektpartnern. Mit der von dem Italiener Edoardo Pezzulli an der ETH Zürich (ETHZ) entwickelten Software zur Überwachung und Optimierung der Lagerstätten soll das Problem gelöst werden.
Edoardo Pezzulli studierte Mathematik und als er fertig war, fragte er sich, was er damit machen will. „Auf jeden Fall etwas Anwendungsorientiertes“, sagt Pezzulli entschlossen. Schon während des Masterstudiums war er auf die CO2-Speicherung gestoßen und eine damalige Studie habe ihm die Augen geöffnet, dass sein mathematisches Wissen auch nützlich sein kann, um CO2-Emissionen zu reduzieren. Seitdem hat sich Pezzulli mehr mit Strömungsdynamik und Geothermie auseinandergesetzt und kam vor acht Jahren an die ETHZ zum Doktoratsstudium. Dem Italiener wurde ein Pioneer-Fellow-Stipendium zugesprochen, dank dessen er seine Idee einer Überwachungssoftware zur Kohlenstoffspeicherung weiterentwickeln konnte.
Mit Mut neue Wege gehen
Die gesamte Branche der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung umfasst laut ETHZ im Moment um die 800 Anlagen, die sich in verschiedenen Entwicklungsstadien befinden. Weltweit sind etwa 50 in Betrieb. „Dass gerade so viele Anlagen entstehen, ist sehr aufregend. Die CO2-Speicherung hat in den letzten zwei Jahren rasant Fahrt aufgenommen“, sagt Pezzulli enthusiastisch. Ein starkes Zeichen für das enorme Potenzial dieses Marktes.
Risiken lassen sich eingrenzen
Zurzeit existiert in der Schweiz aber nicht einmal eine nationale Gesetzgebung, wie mit dem CO2, das hierzulande als Abfall behandelt wird, umgegangen wird. Bei der unterirdischen Speicherung liegen die größten Herausforderungen in den geologischen Unsicherheiten. Zum einen muss analysiert werden, wie viel CO2 in den jeweiligen Standort eingespeist werden kann; zum anderen muss die Speicherung bestmöglich überwacht werden, um sicherzustellen, dass das CO2auch gebunden bleibt. „Wer CO2 speichert, trägt soziale Verantwortung“, sagt der 31-jährige Italiener, und fügt hinzu: „Die Anlagen müssen über Generationen hinweg sicher sein. Mit unserem Überwachungssystem wollen wir beweisen, dass sich die Risiken in Grenzen halten und ein Betrieb auf höchstem Sicherheitsniveau möglich ist.“
Ein digitales Abbild unterirdischer Verhältnisse
Die von Pezzulli entwickelte Software unterstützt sowohl die Planung als auch die Überwachung. „Dafür kombinieren wir verschiedene Lagerstättentechnologien und simulieren, wie sich Flüssigkeiten bewegen und sich die Geomechanik verändert. Gerade letztere ist eine Schlüsselkomponente, wenn man die Risiken der CO2-Speicherung verstehen will“, sagt Pezzulli. Aus seinem Projekt ist mittlerweile ein Start-up namens Storra geworden. „Unser Produkt simuliert Druck-, Temperatur- und Belastungsbedingungen und funktioniert wie ein digitaler Zwilling, der die Daten überprüft und die beste Überwachungsstrategie für die CO2-Speicherung festlegt“, erklärt Pezzulli.
Erstes Pilotprojekt in der Schweiz
Derzeit befindet sich die Software noch in der Entwicklung und soll in sechs bis zwölf Monaten marktreif sein. Stolz erzählt Pezzulli aber schon jetzt, Teil des Pilot- und Demonstrationsprojekts CITru im eidgenössischen Trüllikon zu sein. Am dortigen Bohrloch, das von der Nagra (Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle) erstellt worden ist, findet derzeit eine Machbarkeitsstudie zur Einspeisung von CO2 in den Untergrund statt. Pezzulli ist verantwortlich für die Risikobewertung und die Ausarbeitung des Überwachungsplans. „Es ist eine fantastische Erfahrung, die praktischen Aspekte zu verstehen und zu erfahren, wie diese durch betriebliche Rahmenbedingungen beeinflusst werden“, resümiert Pezzulli.
Das Pilot- und Demonstrationsprojekt CITru prüft unter der Leitung der ETH Zürich die Machbarkeit einer CO2-Einspeisung durch ein stillgelegtes Bohrloch auf dem Gebiet der Gemeinde Trüllikon. Es ist das erste Projekt in der Schweiz, bei dem CO2 in den Untergrund eingespeist werden soll. Derzeit befindet es sich in der Erkundungsphase. Erweist sich das Vorhaben als ausreichend sicher, umweltverträglich und finanzierbar, würde frühestens 2027 die Umsetzungsphase mit der CO2-Einspeisung beginnen. Selbst wenn es zu keiner Einspeisung komme, leiste CITru einen wertvollen Beitrag zu fundierten Entscheidungsgrundlagen, begründen die Forscher.
Überwachungskosten um bis zu 80% senken
Im Moment sucht Pezzulli nach weiteren Pilotprojekten und die Zusammenarbeit mit Geomodellierern, Geophysikern und Computerwissenschaftler. Mit Storra quantifizieret und verringere er nicht nur die Risiken der Kohlenstoffspeicherung, sondern senke auch deren Überwachungskosten. Derzeit liegen diese bei 2 bis 5 Dollar pro Tonne gespeichertes CO2 und Storra kann sie voraussichtlich auf unter einen Dollar senken, wie Pezilli in Aussicht stellt. Das allerdings sei zwar ein Argument für das Produkt, aber kein Motivation für Pezzulli. „Denn was uns wirklich motiviert, ist die tatsächliche Menge CO2, die wir der Atmosphäre entziehen. Wenn ich sagen könnte, dazu beizutragen, mehrere Millionen Tonnen pro Jahr sicher zu speichern, wäre ich glücklich. Schließlich habe ich das Projekt gestartet, um soziale Verantwortung zu übernehmen. Jetzt ist es an der Zeit zu liefern und voranzukommen.“
Quelle: ETHZ