Australien ist der größte Eisenerzlieferant der Welt, doch für eine kohlenstoffarme elektrische Stahlerzeugung ist der Rohstoff aus Down Under nicht geeignet. Das soll sich ändern. Mit Hochdruck arbeiten australische Minenbetreiber, Stahlerzeuger und Technologieunternehmen an einer grünen Eisenerzeugung mit australischem Feinerz. Das Versprechen ist eine klimaschonende Stahlerzeugung ohne Hochofen, auch für das heute dominierende Verfahren mit dem Blasstahlkonverter – im Hinblick auf Länder wie China und Indien ein Milliardenmarkt.
Bei erneuerbarer Energie und grünem Wasserstoff kann die Stahlerzeugung aus Eisenerz mit Direktreduktion (DR) und Elektrolichtbogenofen (EAF) nahezu klimaneutral erfolgen, doch unterliegt das Verfahren einer entscheidenden Einschränkung: Das für den EAF erforderliche Eisenerz in DR-Qualität ist knapp. Wie das auf Energie und Rohstoffe spezialisierte Marktforschungsunternehmen Wood Mackenzie schätzt, erfüllen nur etwa 3 % der über Seewege transportierten Eisenerzlieferungen die erforderlichen Qualitätsanforderungen. Die Knappheit und die hohen Kosten dieses DR-tauglichen Rohstoffs haben die kommerzielle Produktion direktreduziertem Eisen (DRI), Eisenschwamm, auf wenige Standorte im Nahen Osten, in Nordafrika, den USA, Indien und Russland beschränkt. Standorte, die über geeignete Erzreserven verfügen und/oder in denen Erdgas (oder auch Kraftwerkskohle) besonders günstig verfügbar ist.
Der größte Teil der CO2-Emissionen der Stahlerzeugung entsteht bei der Roheisenherstellung über die Hochofenroute, dem mit einem Anteil von etwa 70 % an der weltweiten Produktion vorherrschenden Verfahren. Aufgrund seiner weit verbreiteten Nutzung und der jungen Hochofenflotten in den großen Stahlregionen China und Indien wird die Reduzierung der Emissionen im Hochofenverfahren daher ein wesentlicher Teil des Fahrplans zur Dekarbonisierung sein, wie der australische Bergbaukonzern BHP festhält.
Australien ist der weltgrößte Exporteur von Eisenerz. In der Region Pilbara befinden sich einige der größten Eisenerzminen der Welt, die mehr als 50 % der weltweiten Produktion ausmachen und in den Hochöfen der führenden Stahlnationen ist das Pilbara-Eisenerz der Einsatzstoff Nummer 1. Für die Direktreduktionsroute mit EAF spielt das gangreiche Feinerz aus Qualitätsgründen jedoch keine Rolle. Andererseits ist Australien weltweit eines der Länder mit der höchsten Sonneneinstrahlung und dementsprechend gut für die Nutzung von Solarenergie für eine „grüne“ Stahlerzeugung geeignet, wenngleich erneuerbare Energien momentan noch nur eine recht geringe Rolle bei der örtlichen Stromerzeugung spielt.
Direktreduktion mit Wasserstoff plus Elektroschmelzofen mit erneuerbarer Energie
BHP wie auch andere Minenbetreiber in der australischen Pilbara-Region sind sich der Herausforderungen der Dekarbonisierung bewusst und bemühen sich ihre Eisenerzproduktion auf CO2-freie Technologien unter Beibehaltung des bewährten Sauerstoff-Blasstahlkonverterverfahrens (BOF) umzustellen. Dazu gehören Investitionen in die Entwicklung des Direktreduktions- und Elektroschmelzofenverfahrens (DRI-ESF) .
Der Elektroschmelzofen (ESF) produziert aus dem gangreichere Pilbara-Erz flüssiges Roheisen, das für den Stahlherstellungsprozess im Sauerstoff-Blasstahlkonverter (BOF) geeignet ist. Das Eisenerz wird zunächst in direkt reduziertes Eisen (DRI) umgewandelt, das im ESF eingeschmolzen und Schlacke getrennt wird.
Für Stahlproduzenten ergeben sich mit dem ESF zwei wesentliche Vorteile. Die Route DR - ESF- BOF kann insbesondere für minderwertige Eisenerze verwendet werden, da sie die anfallende Schlacke gut bewältigt. Außerdem kann der BOF bestehen bleiben, wenn der ESF implementiert wird. Stahlhersteller mit integrierten Anlagen müssen die nachgelagerten Aggregate in ihrer Produktionskette nicht ändern und Zertifizierungen nicht erneuern, wenn sie in einen ESF investieren. Während des Einbaus des Elektroschmelzofens kann der Hochofen in Betrieb bleiben bis der ESF einsatzbereit ist.
Neosmelt unter Leitung von Bluescope
Mit dem Join-venture Neosmelt unter Leitung des Stahlerzeugers BlueScope und unter Beteiligung der Erzlieferanten Rio Tinto und BHP ist der Bau der größten Pilotanlage Australiens für die Herstellung von kohlenstoffarmen Eisen mit einem Elektroschmelzofen (ESF) südlich von Perth in Planung. Diese Tage hat das Projekt weitere staatliche Zuschüsse erhalten und sieht sich auf der Zielgeraden. Im Kern geht es um den Bau einer Direktreduktionsanlage und eines Elektroschmelzofens, perspektivisch mit Wasserstoff und erneuerbarer Energie. Schätzungen zeigen laut Neosmelt, dass durch die Verarbeitung von Pilbara-Eisenerz in einem DRI-ESF-Verfahren im Vergleich zum aktuellen Branchendurchschnitt für die konventionelle Hochofen-Stahlherstellung eine Reduzierung der CO2-Emissionsintensität um bis zu 80 % erreicht werden kann.
DRI-Technologie von Tenova - Elektroschmelzofen von Hatch
Das Projekt begann im zweiten Quartal 2025 mit Machbarkeitsstudien und Aufträgen an die Anlagenbauer Hatch und Tenova. Die endgültige Investitionsentscheidung für die Pilotanlage steht 2026 an, wobei bei einem positiven Bescheid der Betrieb voraussichtlich 2028 aufgenommen wird um jährlich 30 000 bis 40 000 Tonnen geschmolzenes Eisen zu produzieren. Mit Woodside als bevorzugtem Energieversorger würde die Pilotanlage zunächst Erdgas zur Reduktion von Eisenerz zu DRI verwenden. Nach der Inbetriebnahme soll das Projekt auf die Verwendung von kohlenstoffärmerem Wasserstoff zur Reduktion von Eisenerz umgestellt werden und der ESF perspektivisch mit erneuerbarer Energie betrieben werden.
Das US-Unternehmen Hatch ist verantwortlich für das Projektmanagement und die Steuerung der Pilot-Machbarkeitsstudie. In diesem Rahmen wird Hatch auch für die technologische Auslegung des ESF verantwortlich sein, die auf der Elektroschmelzofen-Technologie (Crisp+) von Hatch basiert. Hatch ist einer der führenden Anbieter von Elektroschmelzöfen für die Primärproduktion von Kupfer, Nickel, Ferrolegierungen und mit der patentierten Technologie Continuous Reduced Iron Steelmaking Process (Crisp) auch für Eisen.
Mit der Durchführung des Front-End-Engineering-Design (FEED) für die Direktreduktionsanlage hat Neosmelt den italienischen Anlagenbauer Tenova beauftragt. Die DRI-Anlage wird die von Tenova und Danieli gemeinsam entwickelte Energiron DRI-Technologie einsetzen und ist für eine Jahresproduktion von bis zu 50 000 Tonnen DRI ausgelegt, wobei sowohl Erdgas als auch Wasserstoff als Reduktionsmittel verwendet werden kann.
Biomasse plus Mikrowelle
Die australischen Bergbaukonzerne wollen es dabei nicht belassen. BHP beispielsweise verfolgt neben Neosmelt eine Reihe von Projekten und hat neben Verfahren zur Direktreduktion von Eisen in elektrolysebasierte Technologien investiert. RioTinto seinerseits verfolgt neben Neosmelt mit dem Projekt BioIron eine weitere Technologie, bei der anstelle von Kohle rohe, nachhaltige Biomasse und Mikrowellenenergie verwendet werden, um Pilbara-Erze in Eisen umzuwandeln. In Verbindung mit schnell wachsender Biomasse und erneuerbaren Energien hat BioIron laut RioTinto das Potenzial, die CO2-Emissionen im Vergleich zum derzeitigen Hochofenverfahren um bis zu 95 % zu reduzieren.
Green Metal Project - 1 500 Tonnen Eisen proJahr
Im Herzen der Pilbara-Region in Westaustralien treibt das australische Bergbauunternehmen Fortescue sein Green Metal Project voran, das nach Plan mehr als 1 500 Tonnen grünes Eisen pro Jahr produzieren wird. Die Anlage soll mit grünem Wasserstoff aus Pilbara-Feinerz in einem Reduktionsofen DRI erzeugen, das in einem Elektroschmelzofen zu „grünem“ Eisen weiterverarbeitet wird. Erzeugt wird der grüne Wasserstoff direkt nebenan in der Electrolyse-Anlage für gasförmigen und flüssigen Wasserstoff, der laut Fortescue größten ihrer Art in Australien. Sowohl die Wasserstoffanlage als auch der ESF werden laut Fortescue tagsüber teilweise mit mehr als 160 000 Solarmodulen betrieben. Bis 2030 soll die Anlage vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Mit der ersten Produktion rechnet das Unternehmen noch in diesem Jahr.
Direkte elektrochemische Reduktion von Feinerz
Dabei soll es nicht bleiben. In seinem Innovationszentrum in Perth arbeitet Fortescue an einem energiesparenden Verfahren zur direkten elektrochemischen Reduktion, mit dem sich Pilbara-Eisenerz auch ohne Wasserstoff in umweltschonendes Eisenmetall umwandeln lassen soll. Die im Pilotmaßstab entwickelte Technologie ist ein Eisenerz-Elektrolyseur, der intermittierende erneuerbare Energien nutzt, um grünen Eisen-Rohstoff für die Stahlherstellung zu produzieren. Fortescue arbeitet bei der Umsetzung des Projekts mit der Deakin University und der Curtin University zusammen. Fortescue hat dazu eine Technologie für Eisenerz-Elektrolyseure entwickelt, bei der Eisenerze an der Kathode elektrochemisch zu Eisenmetall reduziert werden und an der Anode als Nebenprodukt Sauerstoff entsteht. Die Technologie ist mit einem sehr niedrigen Wirkungsgrad in der Frühphase und erfordert noch erhebliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit, um die Idee zur Marktreife zu bringen.
Zesty – neue Direktreduktionstechnologie für grünes Eisen
Das australische Unternehmen Calix will mit seiner Zesty-Technologie (Zero Emissions Steel Technology) einen komplett neuen Weg der DRI-Erzeugung mit Pilbara-Eisenerz einschlagen. Das 2005 gegründet Technologieunternehmen hat, ursprünglich für die Zementindustrie, einen indirekten Heizprozess entwickelt, um das zu erwärmende Medium von der Heizquelle zu trennen. Spezielle Stahlrohre werden von außen mit Strom und erneuerbaren Energiequellen, alternativen oder konventionellen Brennstoffen beheizt. Gemahlene Mineralien schweben durch die Rohre nach unten, wo sie durch die von den Rohrwänden abgestrahlte Wärme schnell erhitzt werden. Der indirekte Heizprozess ermöglicht laut Unternehmen eine saubere, effiziente und präzise elektrische Beheizung, die kohlenstoffintensive fossile Brennstoffe und eine ineffiziente Verbrennung ersetzt. Kohlendioxid, das bei beispielsweise bei der Herstellung von Zement und Kalk unvermeidbar entsteht, bleibt rein und wird direkt aus dem Rohmaterial freigesetzt. So kann es laut Calix effizient aufgefangen und zur Verwendung oder Speicherung genutzt werden.
Die Zero Emissions Steel Technology ist eine Erweiterung der sogenannten CFC-Kerntechnologie von Calix, bei der feines Eisenerz (typischerweise < 500 μm) am oberen Ende des Reaktors und Wasserstoff am Boden in einer Gegenstromanordnung zugeführt werden. Das Eisenerz wird schnell erhitzt und zu Eisenschwamm (DRI) reduziert. Das DRI kann anschließend zu heißem Brikettier-Eisen (HBI) weiterverarbeitet oder in einer Schmelzanlage (ESF) geschmolzen werden, um die Gangart vom Eisen zu trennen, das dann an Stahlhersteller exportiert und/oder in nachgelagerte Stahlherstellungsprozesse integriert wird.
Im ersten Schritt will Calix eine Demonstrationsanlage mit einer Kapazität von 30 000 Tonnen pro Jahr für mit Wasserstoff reduziertem Eisen (H2-DRI) oder transportfähigem heißbrikettiertem Eisen (HBI) errichten. Das Demonstrationsprojekt beginnt gegenwärtig mit der detaillierten Konstruktion. Eine endgültige Investitionsentscheidung für den Bau der Demonstrationsanlage, deren Standort noch nicht bekannt gegeben wurde, ist laut Calix für das Geschäftsjahr 2026 geplant.
Die elektrische Beheizung ist laut Calix kompatibel mit intermittierendem Betrieb, sodass der Prozess mit erneuerbaren Energiequellen beheizt werden kann. Eine Stärke der indirekten elektrischen Beheizung ist, dass Wasserstoff nur als Reduktionsmittel und nicht als Brennstoff verbraucht wird. Der Zesty-Prozess zielt auf den theoretischen Mindestwasserstoffverbrauch (54 kg/t H-DRI für ein Hämatiterz) mit einem Recyclingkreislauf ab, um den nicht reagierten Wasserstoff wieder in den Prozess zurückzuführen, was laut Unternehmen zu einem erheblich geringeren Wasserstoffeinsatz als bei vergleichbaren DRI-Technologien führt. Wie aus dem Bericht „A Green Iron Plan for Australia” des Superpower Institute hervorgeht, könnten die angestrebten Vorteile von Zesty im Vergleich zu „inflexiblen” Technologien zur Direktreduktion von Eisen mit Wasserstoff erhebliche Kosteneinsparungen für Projekte zur Herstellung von grünem Eisen ermöglichen.
Quelle: Eigene Recherche