Die weltweite Stahlnachfrage dürfte sich im kommenden Jahr leicht erholen. In seinem aktuellen Konjunkturausblick (Short Range Outlook) rechnet der Weltstahlverband worldsteel für 2026 mit einem Zuwachs von 1,3 Prozent – trotz anhaltender geopolitischer Spannungen und neuer US-Zolldrohungen. Deutschland bleibt weiter das Schlusslicht unter den Industrieländern.
Für das laufende Jahr geht der Weltstahlverband in seinem Bericht von einer stagnierenden Nachfrage aus. Sie liegt wie im Vorjahr bei rund 1,8 Milliarden Tonnen Stahl. Hauptbelastungsfaktor bleibe die schwache Nachfrage in China, sodass der massive Druck auf die internationalen Märkte weiter bestehen bleibe.
Insbesondere in Deutschland, dem größten Stahlproduzenten in der EU, bleibt die Lage danach angespannt. Für 2025 erwartet worldsteel bei der Nachfrage zwar ein leichtes Plus von 1,5 Prozent auf 27 Millionen Tonnen, dies sei allerdings als eine „technische Erholung“ infolge aufgefüllter Lagerbestände einzuordnen. Der für 2026 prognostizierte Anstieg um 4,6 Prozent auf 28 Millionen Tonnen warmgewalzte Stahlprodukte laut dem Branchenverband Wirtschaftsvereinigung Stahl vor dem Hintergrund einer enorm niedrigen Nachfragesituation in den Vorjahren bewertet werden und komme nicht über das Niveau der globalen Finanzkrise von 2009 hinaus.
Für Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl, ist das ein deutliches Warnsignal: „Die Zahlen von worldsteel zeigen, dass uns die toxische Mischung aus schwacher Nachfrage in Asien und weltweiten Überkapazitäten auch 2026 zu schaffen machen und damit weiter für einen massiven Importdruck auf den EU-Markt sorgen wird.“ Zuletzt sei der Marktanteil der EU-Stahlimporte „auf alarmierende 30 Prozent“ angestiegen. Dies führe zu einem strukturellen Handelsdefizit entlang der gesamten Wertschöpfungskette. „Umso wichtiger ist das Signal, das die EU-Kommission für ein hochwirksames, intelligentes und ausbalanciertes Schutzinstrument im Stahl-Außenhandel gesetzt hat. Wir erwarten, dass sich die Bundesregierung nun für die Einführung dieses für unsere Branche überlebenswichtigen Instruments einsetzt“, erklärt Rippel.
Fakt sei, so Rippel, dass die Stahlnachfrage in Deutschland auf niedrigem Niveau bleibe. Besonders in wichtigen stahlverarbeitenden Branchen, wie der Automobilindustrie oder dem Maschinen- und Anlagenbau, sei die Produktion nach wie vor rückläufig und wirke sich negativ auf die Stahlindustrie aus. „Ohne kurzfristig wirksame Nachfrageimpulse ist nicht von einer Trendwende bei der inländischen Stahlnachfrage auszugehen“, so die Verbandschefin, die sich vom bevorstehenden Stahlgipfel konkrete Ergebnisse erhofft. „Das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz ist ein Silberstreif am Horizont, der ab 2027 Wirkung entfalten kann. Um den damit erhofften Konjunkturimpuls in Zukunft zu erreichen und gleichzeitig die industrielle Wertschöpfung im Land zu stärken, muss allerdings jetzt gesetzgeberisch gehandelt und bei Investitionen klar auf klimafreundliche Grundstoffe Made in Germany und EU gesetzt werden. Die derzeitige Überarbeitung des Vergaberechts bietet hier eine Riesenchance, die nicht verpasst werden darf“, fordert die Lobbyistin.
Darüber hinaus müsse der Stahlgipfel Wege zu international wettbewerbsfähigen Strompreisen und einem wirksamen Schutz vor Carbon Leakage – also der Abwanderung CO2-intensiver Produktion ins Ausland – aufzeigen, fordert die Verbandschefin. „Nur mit einem entschlossenen politischen Maßnahmenpaket kann der Stahl- und letztlich der Industriestandort Deutschland wieder auf Kurs gebracht werden“, sagt Rippel.
Quelle: WV Stahl