Fachkräftemangel in der Metallbranche: Unternehmen kämpfen mit Nachwuchsproblemen

Der Fachkräftemangel stellt für die Stahlindustrie eine Herausforderung dar (Quelle: Adobe)

Die Metallbranche sieht sich mit einem alarmierenden Fachkräftemangel konfrontiert. Der demografische Wandel und fehlende Nachwuchskräfte haben zu einer bedenklichen Kluft zwischen Angebot und Nachfrage geführt. Doch es gibt Lösungsansätze: Durch gezielte Förderung technischer Ausbildungen, interne Weiterbildungsprogramme und enge Kooperationen zwischen Unternehmen und Bildungseinrichtungen können langfristige Lösungen gefunden werden. Die Metallbranche muss handeln, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und den Fachkräftemangel erfolgreich zu bewältigen.

Dr.-Ing. Stefanie Brockmann, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Stahlinstituts VDEh, äußert sich über das Image der Branche (Quelle: VDEh)

Der Fachkräftemangel in der Metallbranche ist ein anhaltendes Problem, das sowohl Unternehmen als auch die gesamte Branche betrifft. Einer der Hauptgründe ist der demografische Wandel. Viele erfahrene Fachkräfte gehen in den Ruhestand, während gleichzeitig nicht genügend junge Menschen in die Branche nachrücken. Dies führt zu einem Ungleichgewicht zwischen dem Angebot und der Nachfrage nach Fachkräften.

Gegenüber der Fachzeitschrift stahl. äußert sich Dr.-Ing. Stefanie Brockmann, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Stahlinstituts VDEh, dass ein Konkurrenzkampf um die guten Köpfe herrsche. Für die Stahlindustrie sei dies umso dramatischer, da sie gerade viele gute Fachkräfte für die Transformation brauche. Vor allem würden zahlreiche Metallurg:innen und Werkstofftechniker:innen gesucht, von denen aktuell zu wenige von den Hochschulen nachrückten. Das sei ein wirkliches Defizit.

Mona Nickel, Maschinenbau-Ingenieurin, Projekt- und Umweltmanagement, Salzgitter Flachstahl (Quelle: Salzgitter AG)

Brockmann zufolge tragen jedoch auch die Branchen Verantwortung für den Fachkräftemangel, da sie ihre Mitarbeitenden seit Jahren schlecht bezahlen und für den Nachwuchskräftemangel somit zu einem Teil auch selbst verantwortlich seien. Weiterhin gebe es Berufe, die überall benötigt würden und die deshalb chronisch unterbesetzt seien, z. B. Informatiker:innen. Und schließlich gebe es Branchen, deren Image aufpoliert werden müsse – dazu gehöre auch die Stahlindustrie. Doch nicht nur die Unternehmen, sondern vor allem die Politik sei gefragt.

Auch politische Entscheidungsträger:innen tragen laut Brockmann Verantwortung: „Wir müssen Bildungschancen verbessern, wir müssen zeitgemäßer ausbilden! Außerdem müssen wir Weiterbildung gezielt fördern. Es gilt, die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen, auch von Frauen und Älteren. Und wir müssen die Fachkräfteeinwanderung steigern. Dazu brauchen wir eine bedarfsgerechte Öffnung des Arbeitsmarktes für ausländische Fach- und Arbeitskräfte.“

Reaktionen von Unternehmen auf den Fachkräftemangel

Angesichts des Fachkräftemangels entwickeln Unternehmen zunehmend Konzepte, um diesem entgegenzuwirken. Diese Ansätze sollen dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu mildern und den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu decken.

Salzgitter AG: Gezielte Rekrutierung und Fokus auf grüne Transformation

Die Salzgitter AG nimmt direkt Kontakt zu Schüler:innen auf. So besuchen Vertreter:innen des niedersächsischen Stahlproduzenten regelmäßig Schulklassen oder organisieren Exkursionen. Noch mehr Einblick erhalten junge Menschen im Rahmen von speziellen Arbeitgebermessen, wo Schulpraktika, Ausbildungen und Duale Studiengänge vorgestellt werden. Auf Hochschulmessen wird direkter Kontakt zu Studierenden aufgebaut. Eine fachliche Verbindung schafft die Salzgitter AG außerdem mittels Partnerschaften mit Universitäten und Fachhochschulen. Für Berufseinsteigende bietet die Salzgitter AG ein Trainee-Programm an.

Dr. Veit Echterhoff über Ausbildungskonzepte bei thyssenkrupp (Quelle: thyssenkrupp Steel)

Zur Vergabe von Ausbildungsplätzen nutzt die Salzgitter AG zunehmend die Möglichkeiten der digitalen Welt. Das Unternehmen setzt dabei auf Suchmaschinenoptimierung, um besser gefunden zu werden, und ist zudem mit Informationen auf digitalen Ausbildungsbörsen vertreten. Neben einer forcierten online-Präsenz werden Fachkräfte vermehrt durch „active sourcing“, also eine gezielte Suche und Ansprache, kontaktiert. Dazu kommen die klassischen Wege wie Anzeigen in Fachmedien oder Online-Jobbörsen. Der Konzern pflegt zudem eigene Profile in diversen Social Media-Kanälen.

Das Projekt SALCOS® - Salzgitter Low CO₂ Steelmaking spielt nicht nur in der grünen Transformation des Konzerns eine zentrale Rolle. Mit neuen Zukunftstechnologien und einem verstärkt kommunizierten Umweltbewusstsein sollen junge Menschen für den Konzern gewonnen werden.

Durch Qualifizierung und Weiterbildung soll auch die bestehende Belegschaft auf die sich verändernden Tätigkeitsbereiche vorbereitet werden. Dazu sollen auch vermehrt Frauen als Führungskräfte eingesetzt werden, wie Michael Kieckbusch, Personalvorstand der Salzgitter AG, erklärt.

thyssenkrupp: Wasserstoffkompetenz und hochwertige Ausbildung

thyssenkrupp Steel hat laut ihrem Ausbildungsleiter Veit Echterhoff gemeinsam mit der IHK Niederrhein, dem Zentrum für Brennstoffzellen-Technik GmbH, den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM) sowie Vertreter:innen von Gewerkschaft und Berufskolleg die bundesweit anerkannte „Zusatzqualifikation Wasserstoff“ entwickelt. Dies erläutert er in der Fachzeitschrift stahl. des Vulkan-Verlags in Essen. Die Teilnehmenden schließen die Zusatzqualifikation mit einer IHK-Prüfung ab. Mit der Zusatzqualifikation bereiten sie in diesem Jahr erstmals zukünftige Fachkräfte auf den Umgang mit Wasserstoff vor, der für die grüne Transformation der Stahlindustrie eine signifikante Rolle spielt.

Steffen Wandel über Arbeitsbedingungen und Weiterbildungskozepte (Quelle: Meleghy International)

Zudem lege thyssenkrupp auf die Ausbildung großen Wert: Einführungswochen, in denen sich die Auszubildenden, ihre Ausbilder:innen, ihre Vertrauenspersonen und sonstiges Ansprechpersonal näher kennenlernen. Persönliche Tablets vereinfachen die Kommunikation sowie die Vernetzung mit den anderen Auszubildenden und eröffnen individuelle und digitalisierte Lernmöglichkeiten. Nach anderthalb Ausbildungsjahren wechseln die Auszubildenden in die Betriebe und werden Teil eines Teams. Hier wenden sie nicht nur ihr Wissen aus den Werkstätten an, sondern sollen aktiv die nachhaltige Zukunft unserer Region mitgestalten.

Meleghy International: Attraktive Arbeitsbedingungen und interne Weiterbildung

Steffen Wandel, Leiter HR bei Meleghy International, sieht die Herausforderung der Automobil-Branche speziell darin, dass Schichtsysteme nicht mehr attraktiv für Arbeitnehmende seien. Stattdessen bietet sein Unternehmen ein Mehrschichtsystem an und setzt Digitalisierungsmaßnahmen durch, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Meleghy Automotive legt darüber hinaus großen Wert auf interne Fort- und Weiterbildung. Mentoring spielt dabei eine wichtige Rolle, da die Auszubildenden von erfahrenen Kolleg:innen projektbasiert und im Tagesbetrieb unterstützt werden. Auch Schulungsprogramme werden für erfahrene Mitarbeitende angeboten, um ihre Kenntnisse zu erweitern und berufliche Abschlüsse zu erlangen. Zudem werden qualifikationsfremde externe Quereinsteiger:innen rekrutiert und weiterentwickelt, insbesondere in Bereichen, in denen Fachpersonal schwer zu finden ist oder keine spezifischen Berufsausbildungen angeboten werden.

Die Zukunft des Arbeitsmarkts: Unternehmen wirken dem Fachkräftemangel entgegen

Angesichts des Fachkräftemangels haben Unternehmen erkannt, dass sie innovative Konzepte entwickeln müssen, um qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen und langfristig an sich zu binden. Durch diese Maßnahmen versuchen Unternehmen, den Fachkräftemangel zu bekämpfen und den Bedarf an qualifizierten Fachkräften langfristig zu decken. Die Zukunft hält vielversprechende Chancen und Herausforderungen bereit, die Unternehmen dazu anspornen, innovative Wege im Umgang mit dem Fachkräftemangel zu finden und eine nachhaltige Arbeitswelt zu gestalten.

(Quelle: stahl., 01-02/2023)